Der bzw. einer deiner Jahreshöhepunkt rückt näher und damit auch die Frage, wie du das Training in den letzten Wochen und Tagen vor deinem Wettkampf gestalten sollst. Die Meinungen dazu sind zahlreich, das Gefühl noch was drauflegen zu wollen stark. Doch wie schafft man es am Wettkampftag mit der bestmöglichen Form und frischen Beinen am Start zu stehen? Hilfreiche Tips und No-Goes dazu erfährst du hier ...
Der Countdown läuft
Wenn das große Ziel, der geplante Lauf oder Radmarathon in unmittelbar Zeit bevorsteht, sind ein Großteil der Vorbereitungskilometer bereits absolviert. Der „Tag der Abrechnung“ rückt näher und mit ihm häufig auch das zunehmend Gefühl „noch nicht genug getan zu haben“.
Wie aber soll das Training in den letzten Wochen bzw. Tagen vor dem Zielevent nun aussehen, um bestens trainiert, aber dennoch frisch ins Rennen zu starten? Ausruhen oder vorbelasten? Oder gar nochmal eine Schippe draufsetzten und die vermeintlich verpassten Einheiten aufholen?
Die Empfehlungen zur optimalen Wettkampfvorbereitung variieren – mitunter, weil ein gezielter Formaufbau nicht nur eine große Wissenschaft, sondern auch eine Kunst und eine sehr individuelle Angelegenheit ist.
Zuallererst hängen die finale Phase stark von der Anzahl der geplanten Saison-Wettkämpfe sowie deren Priorität ab. Je mehr Wettkämpfe und je geringer die Priorität, desto weniger Zeit wird für eine gezielt abgestimmte Wettkampfvorbereitung investiert, der Wettkampf wird nahezu 'aus dem Training heraus' gestartet.
Welche Empfehlungen gelten aber aus sportwissenschaftlicher Sicht, wenn ausreichend Zeit und hohe Priorität gegeben sind?
Sicher ist: Das wichtigste Training sind die 50 Wochen, die vor einem Wettkampf liegen, nicht die letzten Tage.
Wer es versäumt hat durch die gesamte Saison ein effektiv gesteuertes Ausdauertraining durchzuführen, strukturiert und regelmäßig zu trainieren, kann dies leider jetzt nicht mehr aufholen.
In den 10 bis 14 Tagen vor dem Ausdauerhöhepunkt gewinnt man kein Rennen mehr, man verliert es höchstens. Nämlich dann, wenn die Erholung zu kurz kommt.
Das Prinzip der Erholung
Eines der wichtigsten Trainingsprinzipien, welches von vielen Sportlern/-innen immer noch viel zu häufig übergangen wird, ist das Prinzip der Erholung bzw. Regeneration (Superkompensation).
Während wir uns ausruhen wirkt unser Training, d.h. die gewünschten Anpassungen werden in unserem Körper verrichtet, wir werden dadurch in der Erholungsphase stärker bzw. ausdauernder.
Vor einem Wettkampf wollen wir genau diesen Prozess noch einmal in vollem Umfang gezielt herbeiführen: durch ein gezieltes "tapering"!
Die Kunst des Taperings
Tapering kommt aus dem Englischen und bedeutet „Zuspitzung“, „Reduktion“ bzw. „Abschrägung“. Für das Training bedeutet das: In den letzten Tagen vor dem Wettkampf wird der Umfang (Stunden bzw. Kilometer) deutlich reduziert, Ruhephasen gemixt mit gezielten, wettkampfnahen intensiveren Trainingsreizen wechseln sich ab.
Tapering ist dabei das i-Tüpfelchen einer guten Wettkampfvorbereitung. Es wird im Anschluss an einen ermüdenden letzten Trainingsblock gesetzt, um dem Körper ausreichende Möglichkeit zu geben, sich von den zuvor intensiven Trainingsreizen und der angestauten Ermüdung zu erholen. Während der Taperingphase sollen sich alle Organsysteme regenerieren und die Energiespeicher gefüllt werden. Der Körper bekommt durch Tapering zudem die Zeit, letzte, entscheidende physiologische Anpassungsprozesse vorzunehmen.
Ein richtig eingesetztes Tapering sorgt dafür, dass die Fitness bzw. Form noch weiter gesteigert wird und du somit bestenfalls mit deiner Höchstform am Start stehst.
Die letzte Woche: Zügeln!
Tapering ist dabei ein Balanceakt. Es gilt der Versuchung zu widerstehen, noch ein paar harte ermüdende Einheiten einbauen zu müssen, aus dem Gefühl heraus noch nicht genug getan zu haben. Wer es jetzt übertreibt, für den war die harte Arbeit der vergangenen Wochen umsonst. Das Motto ist also: Zügeln!
Aber Vorsicht: verbringt man die letzten Tage vor einem Wettkampf hauptsächlich auf der Couch ist es durchaus möglich, dass sich der Körper in den Ruhemodus verabschiedet. Höchstleistungen sind dann kaum mehr möglich.
Es gilt trotz aller Erholung die Gewinne der letzten Wochen zu pflegen. Dies wird durch kurze und doch intensive Einheiten gewährleistet, wodurch der Körper auf Spannung gehalten wird.
Der Vorwettkampftag: Vorbelastung sinnvoll
Eine kurze, intensive Vorbelastung am Vortag ergibt dann Sinn, wenn am Folgetag eine intensive, mit vielen Höhenmetern gespickte erste Rennhälfte erwartet wird. Bei langen Marathons oder Jedermann-Rennen haben der Stoffwechsel und die Muskulatur länger die Möglichkeit „hochzufahren“. Eine Aktivierung kann dann zum Beispiel durch eine kleine Runde von maximal 45-90 Minuten Radfahren bzw. 20-40 Minuten Laufen und zwei bis drei submaximalen Antritten gelingen.
Tipps für ein erfolgreiches Tapering:
1) Starte in die Taperingphase (7-10 Tage vor deinem Wettkampf) nach einem vorangegangenen intensiven Trainingsblock mit mäßiger bis starker Ermüdung (Testwettkampf, intensive Intervalle, etc.).
2) Bleibe sicher und selbstbewusst. Die Arbeit ist getan! Ein paar letzte harte Trainingseinheiten werden deine Fitness nicht weiter ausbauen, sondern dich eher zu deinem Nachteil ermüden.
3) Verringere deinen Trainingsumfang (h bzw. km) im Vergleich zu den vorangegangenen Wochen um bis zu 40% – 60%. Deine Grundlageneinheit sollte dann beispielsweise statt 3h nur noch 1,5h dauern (Lauf 30 statt 60 min). Bei Intervallbelastung solltest du statt 6-8 Intervallen nur noch 3-4 Wiederholungen durchführen usw.
4) Du solltest einige kurze, intensive Belastungen in dein Tapering-Training einbauen, damit deine Muskeln bzw. dein Körper auf Spannung bleibt. Wenn dein Rennen an einem Sonntag stattfindet, führe beispielsweise am Dienstag und Donnerstag und Samstag eine kurze Einheit durch innerhalb dieser du dann 3-5 kurze Spitzen (30 Sek-1 min) an der anaeroben Schwelle (submaximal) einbauen kannst. Aber denke daran, keine langen, harten und ermüdenden Einheiten mehr.
5) Vermeide in der Taperingphase Stress so gut es geht und blocke dir die gewonnen trainingsfreie Zeit für Entspannung, Dehnen, mentales Training, … Versuche innerhalb deines Taperings einige komplette Ruhetag einzuhalten. Trainingstage und Ruhetage können sich beispielsweise in der letzten Woche abwechseln (on-off-on-off- …).
6) Beginne einige Tage vor dem Wettkampf mit dem Carboloading und dem auffüllen deiner Flüssigkeits- und Mineralstoffspeicher. Die „Nudelparty“ am Vorabend der Veranstaltung reicht dazu alleine nicht aus. Im Gegenteil: Sie belastet den durch die Anspannung nervösen Magen- Darm-Trakt und deinen Schlaf unnötig.
7) Checke in den Tagen vor dem Wettkampf deine Rennutensilien und gehe in Gedanken den Renntag vom Aufstehen bis zum Rennen selbst durch. Liegen die passenden Kleidungsstücke bereit? Haben die Reifen genug Luftdruck? Wie verläuft die Strecke? Wie wird das Wetter? Wie läuft die Verpflegung? … das beruhigt nicht nur ungemein, sondern lenkt dazu noch von der Vorstart-Nervosität ab.
8) Am Tag vor deinem Event solltest du einen kompletten Ruhetag vermeiden. Eine Vorbelastung (z.B. kurze Grundlageneinheit gewürzt mit 3-5 kurzen Spitzen von 10-60 Sekunden Dauer) aktiviert Lunge und Gefäße und vermeidet, dass du mit bleischweren Beinen am Start stehst. Es ist wichtig, dass diese Einheit keine Müdigkeit provoziert, sondern dem Körper Anreize für den folgenden Tage setzt. Vermeide zudem am Vortag ungewohnte körperliche Belastungen wie ein überlanger Shoppingbummel auf der Marathonmesse, erschöpfendes Sonnenbaden, den halben Tag auf der Couch, ...
Fazit: Mit diesen 8 Tipps und Prinzipien zum Tapering gelingt es dir beim nächsten Wettkampf mit bestmöglicher Form und frischen Beinen am Start zu stehen! Viel Erfolg dir dabei!!
Sich auf eine Höchstleistung vorzubereiten ist dennoch eine wahre Kunstform. Lass dich gerne sportwissenschaftlich Beraten (Trainingsplanung) und finde heraus, was für dich am besten wirkt!
Wer es versäumt hat durch die gesamte Saison ein effektiv gesteuertes Ausdauertraining durchzuführen, strukturiert und gewinnbringend zu trainieren, kann dies leider auch durch kein gezieltes Tapering mehr aufholen. Hier hilft es dann, die nächste Saison mit einer Laktat-Leistungsdiagnostik Rad / Lauf zu starten, um mithilfe individuell gewonnenener Trainingsdaten anschließend systemmatisch und effektiver trainieren zu können.
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